Donnerstag, 24. September 2009

Armut

Indien ist ein Land der Extreme. Ganz offensichtlich wird das beim Thema Armut. In Indien sind inzwischen Megakonzerne beheimatet, Dollar-Milliardaere sind selbstverstaendlich. Und auch bei der breiten Masse kommt der neue Wohlstand an, obwohl das Wirtschaftswachstum dieses Jahr wegen der weltweiten Krise auf wahrscheinlich 8% sinken wird, wohlgemerkt ohne Konjunkturprogramm. Aber immerhin, naechstes Jahr sollen es wieder 10% werden. Das BIP pro Kopf wurde seit 1990 fast verfuenffacht und der neue Reichtum kommt vielen hundert Millionen zu Gute, die Demokratie sorgt dafuer, dass viele am neuen Wohlstand teilnehmen koennen.
Auf der anderen Seite lebt immer noch fast jeder Vierte Inder von weniger als einem Dollar am Tag, insgesamt fast 300 Millionen Menschen, das entspricht der Bevoelkerung der USA. Und ja, Millionen hungern jeden Tag, Kinderarbeit ist noch weit verbreitet und auf dem Land leben viele Bauern noch fast wie Leibeigene. Und Bildung ist nicht jedem kostenlos zugaenglich, schon gar nicht eine weiterfuehrende Schule. Die Duerre dieses Jahr macht es nur noch schlimmer.
Millionen Menschen ziehen in die Staedte, die aus allen Naehten platzen. Angeblich lebt jeder dritte Einwohner von Mumbai (Bombay) im Slum und auch hier in Bangalore, der IT-Hauptstadt der Welt sieht man an fast jeder Strassenecke wilde Slums spriessen, wo auf dem Gehweg genug platz ist, werden ein paar Wellblechhuetten gebaut. Und viele der Menschen dort haben sicherlich kein schoenes Leben. Ganz zu schweigen von Bildung fuer die (illegal in der Stadt lebenden) Kinder oder einer Krankenversicherung.
Die extremen Kontraste und vor allem die Armut zu akzeptieren faellt mir immer noch schwer. Jeden Tag an dem ich in der Stadt bin werde ich mindestens einmal von einem Kind angebettelt, oft in Lumpen und immer stupst es einen am Bauch oder der Hand an und will etwas Geld. Muetter in dreckiger Kleidung mit Babies auf dem Arm sind auch oft unterwegs. Und verkrueppelte, oft sitzen die auch auf dem Gehweg und sprechen den ganzen Tag wehklagend vor sich hin.

Es ist extrem traurig, das zu sehen und zu wissen, dass vor allem die Kinder niemals in ihrem Leben eine Chance haben werden, denn in diesem Land wird einem nichts geschenkt. Und mit wenigen euro-cent koennten sie sich ein Essen kaufen. Trotzdem, und das ist das schwere fuer mich, ermuntert man diese damit nur dazu, mehr zu betteln und weniger in die Schule zu gehen. Was natuerlich langfristig keine Loesung sein kann... Das erfolgreichste Programm, Kinder in die Grundschule zu bekommen ist uebrigens das Angebot eines kostenlosen Mittagessens dort.
Ich versuche Bettlern so weit wie moeglich aus dem Weg zu gehen, weil ich mich immer extrem unwohl fuehle. Trotzdem werde ich mich hier wohl nie daran gewoehnen, wie nahe beieinander arm und reich hier sind. Hinter mit der Glaspalast eines internationalen Konzerns, gleich daneben ein Slum und davor auf der Strasse bettelnde Kinder. Die flehend an die Scheiben der vorbeifahrenden Autos klopfen, wenn die Ampel rot ist - in der Hoffnung auf ein paar Rupien.

6 Kommentare:

  1. Ja, das stelle ich mir auch extrem bedrückend vor.

    Da stellt sich sogar die Frage, ob man von "Demokratie" sprechen kann, wenn große Teile der Bevölkerung nicht lesen können, betteln müssen bzw. keinen Zugang zu Bildung und Kultur haben. Die Definition von "Demokratie" ist gar nicht so einfach.
    Ich habe einmal einen Bericht über Wahlen in Indien gesehen. Auf dem Wahlzettel hat jede Partei zusätzlich zum Parteinamen noch ein Symbol zugeordnet bekommen, dass es den Analphabeten erlaubt eine Partei zu erkennen und somit auch wählen zu können.
    Du sprichst von den Konzernen, die in Bangalore ihre Niederlassungen haben. Wahrscheinlich machen diese Konzerne auch deswegen Gewinne, da die Löhne sehr gering sind. Engagieren sich diese Firmen bei sozialen Projekten in der Stadt? Kann man sagen, dass es in Bangalore "parallele Welten" gibt, die nicht miteinander in Berührung kommen?
    Noch ein Hinweis zum Thema Dürre. Ich habe ein sehr interessantes Buch über das Thema "Wasserknappheit in der Welt" gelesen, mehrere Kapitel handeln von Indien. Inzwischen wurde in einigen Regionen schon so stark das Grundwasser angezapft, dass davon bald nichts mehr vorhanden ist. Ist das ein Thema in Indien?

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  2. Ich glaube die Demokratie funktioniert hier ziemlich gut, soweit das eben moeglich ist in einem so grossen Land. Das mit den Symbolen ist richtig und eine super Idee finde ich!
    Die Konzerne sind hier wegen geringerer Kosten, aber auch wegen einer wohl exzellenten Ausbildung der Arbeitnehmer. Gehaelter bei internationalen Konzernen sind relativ hoch, auf das fuenffache des Durchschnitts kommt man da als Einsteiger schon! Daher wuerde ich nicht von Ausbeutung sprechen. Ausserdem wurde damit auch der Brain-Drain in Richtung USA in den 90ern gestoppt, sehr wichtig fuer das Land!
    Parallele Welten gibt es wohl wie in jedem Land, was hier krass ist, dass diese Welten so nah nebeneinander sind. Und so sichtbar.
    Die Duerre ist ein grosses Thema, noch immer leben hunderte Millionen von der Subsistenz-Landwirtschaft. Es gibt auch viel trara um Regierungsprogramme gegen die Duerre und irgendwelche Hilfen. Das Thema Grundwasser ist mir noch nicht begegnet, aber das muss nichts heissen. Der sorgsame Umgang mit Ressourcen aller Art ist aber selbstverstaendlich!

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  3. wie ist das eigentlich, ich hab in der Schule einen Film über Mumbai gesehen, in dem erwähnt wurde, dass es in den Kindergarten Pflicht ist einen Tag in der Woche in den Slums zu verbringen. Da bringen dann die Reichen Kinder Farbstifte, Malblöcke und sowas mitbringen. Das soll irgendwie das Verhätnis von arm und reich verbessern, damit die Kinder von grundauf mit den Armen zurecht kommen und es in Zukunft nicht so große Probleme dort gibt. Hast du sowas auch schon mitbekommen oder is das nur die extreme Ausnahme?

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  4. Hier ein Nachtrag zum Thema "Grundwasser in Indien":

    http://www.handelsblatt.com/technologie/umwelt-news/in-indien-schwindet-das-grundwasser%3B2444481

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  5. Hey,
    danke fuer eure Kommentare!
    Guter Artikel, Michael, war echt interessant. Ich vermute mal, dass es in den Metropolen in anderen Landesteilen aehnlich aussieht, z.B. Mumbay, Chennai, Kolkata, Bangalore...
    Jonas, von dem Projekt habe ich noch nichts gehoert hier, aber Mumbai ist auch weit weg. Finde ich aber eine super Initiative. Laeuft das denn im richtig grossen Stil dort?? Erzaehl mal mehr, wie machen die das? Ist es nicht gefaehrlich in die Slums zu gehen als reiches Kind?
    Das einzige was ich bisher gehoert habe was ganz grob in die Richtung geht, sind Initiativen um armen Kindern ein kostenloses Mittagessen in der Schule zu geben. Die Idee ist, dass sie dann in die Schule kommen, wenn sie wissen dass es dort was zu essen gibt. Und auch die Eltern sie hinschicken. Das laeuft zumindest hier um Bangalore im ganz grossen Stil. Aber ist natuerlich viel weniger persoenlich und hat nicht zum Ziel, das Verhaeltnis von arm und reich zu verbessern...

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