Dienstag, 29. September 2009

Bei der Arbeit

Der Grund, warum ich ueberhaupt hier in Bangalore bin, ist mein Praktikum - und so langsam ist mal Zeit, etwas mehr davon zu erzaehlen. Anfangen will ich aber mit einem kurzen Ueberblick ueber ein paar Unterschiede, die kulturell zwischen Deutschland und Indien in der Beziehung bestehen (etwas polarisiert):
Grundsaetzlich sind Hierarchien steiler und wichtiger als in Deutschland. Der Chef ist hier noch eine Autoritaet, ein wahrer Patriarch, der sich fuer seine Angestellten einsetzt, im Gegenzug aber absolute Loyalitaet erwartet. Dabei erstreckt sich die Beziehung der Angestellten untereinander, als auch gegenueber dem Chef, auf mehr als die Themen, die direkt mit der Arbeit zu tun haben. Selbstverstaendlich ist der Vorgesetzte einbezogen in wichtige private Entscheidungen wie Hochzeit, die Geburt von Kindern oder bedeutende andere Ereignisse. Wo er kann, hilft der gute Chef auch, selbstverstaendlich ist auch Sonderurlaub drin, wenn die Tante ins Krankenhaus muss. Die Trennlinie zwischen Privatem und der Arbeit ist weit weniger scharf als in Deutschland. Allerdings sind natuerlich die Arbeitsbedingungen nicht gerade das, was den DGB jauchzen lassen wuerde. Hoher Druck, hohe Arbeitsbelastung, scheussliche Arbeitszeiten (z.b. mitten in der Nacht) und eine 6-Tage-Woche sind auch bei Angestellten mit Universitaetsabschluss keine Ausnahme.
Eine Welt, in die ich wenig Einblick habe, ist aber die der kleinen Shops an der Strasse, Baufirmen und aehnlichem, wo die unqualifizierten Wanderarbeiter arbeiten. Angeblich sind Gehaelter von etwa einem Dollar am Tag plus Mittagessen normal auf dem Bau, wer Glueck hat bekommt noch eine Ecke auf dem Baugelaende und ein paar Plastikplanen, um damit eine Huette zu bauen. Natuerlich leben und arbeiten Millionen hier wie in jedem Entwicklungsland unter fuer Deutschland unvorstellbaren Bedingungen, aber darauf will ich hier nicht eingehen.
Bildung ist hier der Schluessel zu einem besseren Leben, viel staerker als in Deutschland. Eine gute Ausbildung bedeutet: Ein renommierter Arbeitgeber, die Chance auf ein gutes Gehalt, Konsum der ueber Nahrung, Kleidung u.ae. hinausgeht und die Rechtfertigung, dass die Eltern zu Recht ein kleines Vermoegen in die Ausbildung investiert haben. Und tatsaechlich sind die Gehaelter zwar in Euro umgerechnet gering, aber bei einem BIP pro Kopf von etwa 500 euro pro Jahr ist ein Monatsgehalt von 400-500 euro zum Einstieg schonmal nicht schlecht. (entspraeche in Deutschland grob 20.000 euro, nur so zur Relation).
So, jetzt aber mal dazu, was ich so mache bei meinem Praktikum. Die Firma bei der ich arbeite, ist ein Beratungsunternehmen, das sich auf Diversity Management spezialisiert hat. Und zwar diversity unter den Angestellten, Kunden sind meistens Grossunternehmen, in der Regel die grossen Multinationals aus IT, Finanzen oder auch Telekommunikation. Die wichtigsten Beratungsgebiete sind dabei das Thema Frauen (Mutterschutzregelungen, Gleichberechtigung, ...), Diskriminierung (z.B. von Homosexuellen, Frauen, Behinderten, ...) und der Bereich Mobbing/Belaestigung. Dabei gibt es verschiedene Angebote an die Kunden: Eine Moeglichkeit ist, eine mehrstuendige Session mit ausgewaehlten Personen im Unternehmen zu machen, in der das Problemfeld erlaeutert wird, diskutiert wird und damit erreicht wird, dass die fuer bestimmte Teams verantwortlichen Manager mit dem Thema vertraut sind und gegebenenfalls richtig reagieren und Probleme als solche erkennen koennen. Ein anderes Angebot ist es zum Beispiel, in einem Bereich (wie z.B. Mutterschutzregelungen) fuer ein Unternehmen ein Programm zu erarbeiten. Ausserdem gibt es noch verschiedene andere Angebote, offene Beratungsworkshops und aehnliches.
Ich bin von meinen 4 Kolleginnen super aufgenommen worden, alle sind total nett, immer bereit mir etwas zu erklaeren und sich zu unterhalten und ich fuehle mich im Buero immer total wohl. Die Aufgaben die ich bekomme, sollen (laut Chefin) so sein, dass ich dabei moeglichst viel lerne - das heisst ich habe noch nichts machen muessen, was reine Beschaeftigung waere und bin eigentlich ueberrascht, wie viel mir zugetraut wird!
Und jetzt gibts noch ein paar Beispiele dafuer, was ich bisher gemacht habe:
- Einen Unternehmensblog erstellt (ist noch nicht oeffentlich)
- Eine Untersuchung zum Thema Mutterschutz ausgewertet
- Eine 30-minuetige Session zum Thema Generational Diversity vorbereitet
Und im Moment arbeite ich gerade daran, wie wir Unternehmen in ein Ranking zum Thema Diversity packen koennten.
Abschliessend bleibt mir nur zu sagen, dass es wirklich Spass macht bei interweave. Ich weiss, dass ich ein riesen Glueck hatte mit meinem Praktikum und habe mich morgens noch nie geaergert, dass ich ins Buero muss!

Donnerstag, 24. September 2009

Armut

Indien ist ein Land der Extreme. Ganz offensichtlich wird das beim Thema Armut. In Indien sind inzwischen Megakonzerne beheimatet, Dollar-Milliardaere sind selbstverstaendlich. Und auch bei der breiten Masse kommt der neue Wohlstand an, obwohl das Wirtschaftswachstum dieses Jahr wegen der weltweiten Krise auf wahrscheinlich 8% sinken wird, wohlgemerkt ohne Konjunkturprogramm. Aber immerhin, naechstes Jahr sollen es wieder 10% werden. Das BIP pro Kopf wurde seit 1990 fast verfuenffacht und der neue Reichtum kommt vielen hundert Millionen zu Gute, die Demokratie sorgt dafuer, dass viele am neuen Wohlstand teilnehmen koennen.
Auf der anderen Seite lebt immer noch fast jeder Vierte Inder von weniger als einem Dollar am Tag, insgesamt fast 300 Millionen Menschen, das entspricht der Bevoelkerung der USA. Und ja, Millionen hungern jeden Tag, Kinderarbeit ist noch weit verbreitet und auf dem Land leben viele Bauern noch fast wie Leibeigene. Und Bildung ist nicht jedem kostenlos zugaenglich, schon gar nicht eine weiterfuehrende Schule. Die Duerre dieses Jahr macht es nur noch schlimmer.
Millionen Menschen ziehen in die Staedte, die aus allen Naehten platzen. Angeblich lebt jeder dritte Einwohner von Mumbai (Bombay) im Slum und auch hier in Bangalore, der IT-Hauptstadt der Welt sieht man an fast jeder Strassenecke wilde Slums spriessen, wo auf dem Gehweg genug platz ist, werden ein paar Wellblechhuetten gebaut. Und viele der Menschen dort haben sicherlich kein schoenes Leben. Ganz zu schweigen von Bildung fuer die (illegal in der Stadt lebenden) Kinder oder einer Krankenversicherung.
Die extremen Kontraste und vor allem die Armut zu akzeptieren faellt mir immer noch schwer. Jeden Tag an dem ich in der Stadt bin werde ich mindestens einmal von einem Kind angebettelt, oft in Lumpen und immer stupst es einen am Bauch oder der Hand an und will etwas Geld. Muetter in dreckiger Kleidung mit Babies auf dem Arm sind auch oft unterwegs. Und verkrueppelte, oft sitzen die auch auf dem Gehweg und sprechen den ganzen Tag wehklagend vor sich hin.

Es ist extrem traurig, das zu sehen und zu wissen, dass vor allem die Kinder niemals in ihrem Leben eine Chance haben werden, denn in diesem Land wird einem nichts geschenkt. Und mit wenigen euro-cent koennten sie sich ein Essen kaufen. Trotzdem, und das ist das schwere fuer mich, ermuntert man diese damit nur dazu, mehr zu betteln und weniger in die Schule zu gehen. Was natuerlich langfristig keine Loesung sein kann... Das erfolgreichste Programm, Kinder in die Grundschule zu bekommen ist uebrigens das Angebot eines kostenlosen Mittagessens dort.
Ich versuche Bettlern so weit wie moeglich aus dem Weg zu gehen, weil ich mich immer extrem unwohl fuehle. Trotzdem werde ich mich hier wohl nie daran gewoehnen, wie nahe beieinander arm und reich hier sind. Hinter mit der Glaspalast eines internationalen Konzerns, gleich daneben ein Slum und davor auf der Strasse bettelnde Kinder. Die flehend an die Scheiben der vorbeifahrenden Autos klopfen, wenn die Ampel rot ist - in der Hoffnung auf ein paar Rupien.

Dienstag, 15. September 2009

Essen

Scharf, Reis, Masala: Das sind so etwa die Schlagwörter, die ich im Kopf hatte, bevor ich in Bangalore angekommen bin. Und irgendwie stimmen die Vorurteile, und irgendwie auch nicht. Aber von vorne:
Ein typisches Essen ist folgendermaßen zusammengesetzt: Es gibt eine Grundlage, in der Regel Reis, aber auch schonmal frische Teigfladen, knusprig, warm und super lecker. Sowohl der Reis als auch die Teigfladen komm
en in verschiedenen Ausprägungen. Dazu gibt es dann in der Regel ein "Curry" (oder auch mehrere, je nachdem wie umfangreich und wichtig das Essen ist), also eine Art Soße, mit der man den Reis z.B. mischt. Serviert wird alles getrennt, das heißt man mischt auf dem Teller. Auch das Mischen verschiedener Currys ist kein Problem.
Ein sehr typisches Essen ist ein "Thali", so eine Art Menü des Tages in einem Restaurant. Dort, wo ich immer meinen Lunch esse, sieht das zum Beispiel folgendermaßen aus: Ein Roti (eine Art Teigfladen), mit verschiedenem sehr klein geschnittenen Gemüse gemischter Reis, eine mäßig scharfe Soße und eine sehr scharfe, vermutlich in der Pfanne zubereitete Gemüsemisch
ung. Als eine Art Nachtisch gibt es außerdem noch "Curd-Rice", Reis gemischt mit einer Art Joghurt und Gurken- und Karottenstückchen. So ein Essen ist ziemlich füllend, schmeckt gut und ist ziemlich billig. Die meisten Leute essen immer Thali, auch weil es immer was anderes gibt. Und natürlich ist fast alles hier vegetarisch, selten bekommt man mal Hühnchenfleisch, man muss schon gezielt nach einem "non-veg" Restaurant suchen. Was aber gar nicht so schlimm ist, weil das vegetarische Essen hier viel besser ist als in Europa!
Und grundsätzlich isst man hier mit den Fingern, genauer gesagt mit denen der rechten Hand. Am Anfang war das ziemlich komisch, aber mit der Zeit gewöhnt man sich dran - und für die Brotfladen ist es auch praktischer als mit Messer und Gabel. Nur den Reis esse ich meistens mit dem Löffel, zumindest im Restaurant - einfach deswegen, weil ich dann danach nicht völlig vollgesaute Finger habe. Aber zu Hause oder wenn man irgendwo eingeladen ist, dann wird mit den Fingern gegessen. Vorteil ist dabei auch, dass man sich nicht den Mund verbrennt, weil man immer mit den Fingern "vorfühlen" kann, bevor etwas in den Mund kommt!
Und scharf ist hier fast alles. Und mit scharf meine ich, dass ich froh bin wenn es zwar scharf ist, aber nicht so scharf dass ich Schweißausbrüche bekomme davon. Alles unterhalb dieser Grenze ist hier "not spicey". Aber ich glaube mit der Zeit gewöhnt man sich ein bisschen daran, zumindest finde ich es nicht mehr ganz so schlimm wie am Anfang.
Das Frühstück unterscheided sich dabei kaum vom Mittag- oder Abendessen. Seit ich alleine wohne, gibts bei mir aber Cornflakes, scharfes Essen nach dem Aufstehen ist echt gewöhnungsbedürftig!

Hier ist mal ein "South Indian Thali" abgebildet, serviert stilecht auf dem Blatt einer Bananenpalme. Und mit vielen Currys und süßem Nachtisch.
Alles, was hier nicht scharf ist, ist süß - und zwar extrem süß. Nachtisch ist gigantisch gut in der Regel und wahrscheinlich total ungesund. Wer der Meinung ist, Schokolade sei süß, soll mal nach Indien kommen!
Internationales Essen gibts hier natürlich auch, inklusive McDonalds, Dominos Pizza, Pizza Hut, KFC, ... Das Essen dort ist lokal angepasst, es gibt viel vegetarisches, aber schmeckt schon noch westlich. Und es ist teuer, viel teurer als Restaurant. Aber trotzdem ist so ne Pizza schon ab und zu eine gute Abwechslung!
Generell ist das Essen echt cool, schmeckt gut und ist gesund. Eine schöne Kultur, auch das Essen mit den Händen hat was, wenn man sich mal daran gewöhnt hat!

Samstag, 12. September 2009

Im Bus

Busfahren kann hier wahnsinnig interessant sein. Und wahnsinnig nervig. Hängt ganz davon ab, wann und wohin man fährt.
Szenario 1: Der Bus am Wochenende ins Stadtzentrum.
Buslinie 296 fährt von mir ins Stadtzentrum, genauer gesagt zum Busbahnhof Shivajinagar, von wo aus man in 15 Minuten Fußweg in der Shoppinggegend "Commercial Street" und der "MG Road" ist. Die Busse fahren alle 5-10 Minuten, einen Fahrplan gibt es zwar nicht, aber was sind schon 5 Minuten Warten hier in Indien! Also, der Bus, im Durchschnitt geschätzte 15-20 Jahre alt, aber meistens noch mit allen Sitzen und in der Regel verschließbaren Türen und Fenstern tuckert heran, ich steige ein und setze mich in den hinteren Teil des Buses. Die vorderen 4 Sitzreihen sind nämlich für Frauen reserviert und ich will nicht riskieren, später stehen zu müssen, nur weil es dann hinten schon voll ist und eine Frau sich auf meinen Platz setzen will. Der Bus ist dann so etwa eine halbe Stunde unterwegs und jedes zweite Mal setzt sich ein junger Inder neben mich um die Chance zu nutzen mit einem Ausländer zu reden. Echt lustig, meistens sind die total nervös aber es ist immer ziemlich interessant. Irgendwann kommt dann auch der Ticketverkäufer und nimmt einem 10 Rupien für die Fahrt ab. Tipp: Passend bezahlen, Wechselgeld ist vor allem in vollen Bussen rar! Die Fahrt ist dann aber entspannend, die Straßen am Wochenende sind nicht allzu verstopft und der Bus ist nur mäßig voll.


Szenario 2: Der Bus zur Rush-hour
Vor allem jeden Morgen und Abend ins Büro sieht das ganze so aus. Buslinie 500 nehme ich bis Marthahalli, dann umsteigen in Linie 30x bis Manipal. Die erste Herausforderung ist es, in den Bus reinzukommen. Wenn der Bus an der Haltestelle ankommt, ist er meistens schon so voll, dass die Leute zur Tür raushängen, also lasse ich den Bus ziehen und warte auf den nächsten. Nur leider ist jeder Bus so voll, also nehme ich den ersten, der ein kleines bisschen leerer aussieht: Ich versuche schneller als alle anderen auf die unterste Treppenstufe zu springen und drücke mich dann durch die Menschenmasse (alles Männer, Frauen sind ja vorne im Bus) nach innen. Wenn man erstmal drin ist, bleibt man drin - die Hoffnung auf einen Sitzplatz ist zwar eine unnötige, aber immerhin bin ich drin! Im Bus selbst ist es dann extrem eng, warm, stickig und es gibt schlechte Luft, auch weil viele Fenster nicht zu öffnen sind. Die Busse hängen immer schräg nach links, weil so viele Leute an der Tür hängen. Wie sich der Ticketverkäufer durch die Menschen drückt, ist mir immer wieder ein Rätsel! Ungefähr eine Stunde dauert die Fahrt mit dem Bus dann, wenn ich bei Martahalli rauskomme, bin ich meistens ziemlich erschöpft und verschwitzt. Der zweite Bus ist dann ähnlich, aber nicht ganz so voll. Man kommt immerhin noch ohne gesundheitliches Risiko in den Bus rein. Maximal passen in einen normalen Bus mindestens 80 stehende Leute rein, ausgelegt sind die Busse für vielleicht 40. Das Tempo ist entsprechend langsam.
Szenario 3: Der Volvo-Bus
Volvo-Busse sind die Luxusvaiante für die Mittelschicht. Klimatisiert, schneller und weniger voll. Dafür aber auch teurer, meistens so gut 50% teurer, das heißt die 4 Tickets ins Büro und zurück kosten dann 70 Rupien anstatt 40. Allerdings ist es sauber, es gibt frische Luft und es ist kein dauernder Kampf, wenn man drin ist. Meistens nehme ich den Bus, vor allem weil ich Angst um meinen Laptop in der Tasche habe, wenn ich im überfüllten normalen Bus bin. Manchmal bekomme ich da sogar einen Sitzplatz und kann entspannt die Stadt an mir vorbeiziehen lassen, während aus dem Lautsprecher an der Decke fröhliche Hindi-Musik trällert. Die entspannte Variante, eindeutig.
Eine U-Bahn oder ähnliches gibt es übrigens nicht - trotz mehr als 10 Millionen Einwohnern. Zur Zeit wird an der "Metro" gebaut, das wird eine Art Straßenbahn auf Stelzen, d.h. riesige "Fly-overs" aus Beton werden gerade gebaut, um darauf dann mal die Metro fahren zu lassen. Das ganze soll den Verkehr entlasten und ist auch dringend nötig!

Dienstag, 8. September 2009

Verhandeln...

Tja, das ist ein interessantes Thema: Für viele Produkte und Dienstleistungen, vor allem wenn man nicht in großen Geschäften oder bei internationalen Markenläden einkauft, sind keine Preise ausgezeichnet. Das heißt, man muss den Verkäufer fragen, der einen abschätzend anschaut und dann einen Preis nennt. Und der ist garantiert zu hoch.
Noch extremer ist das ganze bei Straßenverkäufern oder Rikschafahrern. Rikschas haben zwar Taxameter, aber die werden nur benutzt, wenn man zufällig irgendwo hin will, wo es viele potentielle Kunden gibt. Alle anderen Orte sind unattraktiv für die Fahrer, weshalb der Preis davor verhandelt wird. In der Regel bedeutet das, dass man mit mindestens 3 Fahrern separat verhandelt, bevor man irgendwo einsteigt und dafür auch mindestens 5 Minuten aufwenden muss. Aber immerhin kann man sich dann darüber freuen, in der Regel mindestens 20% des ursprünglichen Preises gespart zu haben. Außerdem hat der Fahrer mit ausgeschaltetem Taxameter auch keinen Anreiz, Umwege zu fahren.


Bei Straßenverkäufern, vor allem bei denen die einen ansprechen, nur weil man Ausländer ist, gibt es kaum eine Grenze nach unten. Die Hälfte des zuerst genannten Preises darf man auf keinen Fall zahlen, maximal ein Viertel. Oder man
kauft eben beim nächsten, der bestimmt maximal 20 Meter weiter wartet.
Ein paar Beispiele:
- Bangalore, Mahatma Gandhi Road (Shoppinggegend): Ein Freund von mir wollte eine Holzkette kaufen, ursprünglicher Preis sollte 150 Rupien (etwa 2 Euro) sein. Nach ein paar Minuten Diskussion, Verweisen auf die schlechte Qualität usw. hat er dann 2 für zusammen 60 Rupien bekommen.
- Taj Mahal, Agra: Vor dem Eingang hat ein Typ versucht, uns eine Lederpeitsche zu verkaufen. Wollte es uns als Souvenir andrehen, aber irgendwie schon komisch, wem schenkt man denn eine Peitsche?? War aber qualitativ ganz ok
und sein erster "last price" war 40 US-Dollar. Schlussendlich, nach standhaftem Weigern hat er erst aufgegeben, als wir seine Peitsche nicht mal für 50 Rupien (70 euro-cent) kaufen wollten.
- Jaipur: Diesmal sind kleine, mit Plastikperlen beklebte Holzelefanten im Angebot. Ursprünglich wollte der anhängliche Verkäufer dafür 120 Rupien pro Stück. Bei 50 Rupien hat er uns dann erklärt, dass er bei dem Preis "no pro
fit" hat und hat bei allen ihm bekannten Göttern (hat ca. 30 Sekunden gedauert, bis er sie aufgezählt hatte) geschworen, dass es unmöglich ist, so schöne Elefanten noch billiger zu bekommen. Naja, am Schluss hat einer aus unserer Gruppe dann 10 Stück für insgesamt 100 Rupien gekauft.
Irgendwie ist das Verhandeln schon interessant und gehört einfach dazu. Wenn man nicht handelt, kann man sich auch sicher sein, dass man übers Ohr gehauen wird. Wobei bei manchen Sachen es mir schon einfach zu doof ist. Bei der Papaya, die ich heute nach 8 Stunden im Büro plus über 2 Stunden in überfüllten Bussen gekauft habe, hab ich die 20 Rupien einfach bezahlt. Hatte einfach keinen Bock und keine Energie mehr, wegen umgerechnet 5 cent ewig rumzudiskutieren. Aber meistens mache ich das schon, will ja auch nicht als doofer Tourist gesehen und ausgenommen werden!

Mittwoch, 2. September 2009

Cows

Um erstmal ein Gerücht zu zerstreuen: In Indien ist es sowohl erlaubt, Kühe zu schlachten, als auch Rindfleisch zu essen. Und selbstverständlich kann man es auch bekommen, wenn man sich bemüht, vor allem in internationalen Hotels.

Trotzdem isst hier eigentlich niemand Fleisch und schon gar nicht Rindfleisch. Im Hinduismus gilt die Kuh als heilig, weswegen man sie auch nicht schlachten und essen darf. Wer als gläubiger Hindu trotzdem nicht auf den Geschmack von Rindfleisch verzichten will, dem bleibt nur der Büffel, den man problemlos verzehren darf. Und da Büffel hier auch leben, ist das ganze eher unproblematisch.

Kühe sieht man hier aber regelmäßig, nur nie in einem Bauernhof oder etwas ähnlichem. Milch und Milchprodukte (vor allem Joghurt) sind sehr gefragt und so werden entsprechend viele Kühe benötigt, um den Bedarf zu stillen. Außerdem werden sie in der Landwirtschaft eingesetzt, vor den Pflug gespannt oder als Zugtiere für Wagen und Lastkarren genutzt. So ein Gefährt ist dann zwar langsam, aber immerhin müssen die Bauern nicht alles tragen.

In großen Städten sieht man die Kühe vor allem am Straßenrand rumstehen oder –liegen. Sie gehören in der Regel Leuten in der Nähe, die sie morgens und abends füttern, sie melken und sie nachts unter einem offenen, aber überdachten Flecken vor dem Haus schlafen lassen. Tagsüber sind die Kühe dann selbständig unterwegs, d.h. sie trotten auf der Straße rum, stehen in Gruppen am Straßenrand oder beschließen auch schonmal spontan, eine fünfspurige Umgehungsstraße zu überqueren: Was dann natürlich zur Folge hat, dass alle Autos anhalten müssen um zu warten, wie die Kuh mit unendlich langsamer Geschwindigkeit einen Fuß vor den anderen setzt.

Neben dem Rumliegen am Straßenrand und dem Rumstehen auf Straßen scheint die Lieblingsbeschäftigung der Kühe zu sein, auf Nahrungssuche zu gehen. Lieblingsziel der Kühe ist dabei der jeweils nächste wilde Müllhaufen am Straßenrand oder auf einem freistehenden Grundstück – es gibt kaum ein paar Quadratmeter Müll ohne eine Kuh in der Mitte, die zufrieden in einem Berg aus Plastik wühlt. Eigentlich ein trauriges Leben, viele Kühe sind auch stark abgemagert – was aber auch daran liegen kann, dass es einfach sehr viele alte Kühe gibt: Da sie heilig sind, werden sie mit fortschreitendem Alter von den Besitzern nicht etwa verstoßen, sondern nur umso mehr gefüttert.

Immer wieder ist es aber faszinierend, wie wenig die Kühe der Verkehr zu stören scheint, der in oft weniger als einem Meter an ihnen vorbeibrettert. Sie sind die einzigen Tiere, die sich in den verschmutzten Großstädten hier wohlzufühlen scheinen, trotz unvorstellbarer Luftverschmutzung und wenig grünen Flecken vor allem in den ärmeren Vierteln in denen die Kühe hauptsächlich anzutreffen sind.

Trotzdem würde ich mal wieder ein Steak essen. Heilige Tiere sind zwar schön und gut, aber warum können Religionen nicht mal Tiere heilig machen, die man nicht so gut verspeisen kann?