Sonntag, 29. November 2009

Meine Zeit in Indien: Top & Flop

Noch 36 Stunden und ich steige ins Flugzeug, eine Boeing 747 der Lufthansa. Bangalore - Frankfurt nonstop, Platz 35H. Ich werde muede sein und mich auf eine ungemuetliche Nacht freuen - Check-In ist ab 2.45 Uhr nachts. Vielleicht ist es Zeit, ein bisschen Resuemee zu ziehen.
Ich hoffe euch hat der Blog bisher gefallen, das ist der letzte Post. :-(
Hier nun also die ultimative Top / Flop Liste meines Indien:

Top: Essen
Ungewohnt war das Essen, vor allem am Anfang. Dazu auch noch das Essen mit den Haenden! Aber ganz ehrlich: Fast alles (bis auf Reis mit Joghurt) schmeckt hier echt super gut und so scharf empfinde ich es auch nicht mehr. Habe es echt genossen hier indisch zu essen, ob zu Hause, bei Freunden oder im Restaurant. Ich werde kein Vegetarier werden - aber man kann super vegetarisch essen!
Flop: Verkehr
Der Verkehr ist hier fast immer ein grosses Chaos. Ob man als Fussgaenger unterwegs ist, im Bus oder im Auto, immer ist es stressig und man freut sich aufs ankommen. Autofahrer sind hier meistens ziemlich ruecksichtslos, wer zuerst kommt faehrt zuerst und wer staerker ist hat Vorfahrt. Der Fussgaenger also nie. Dazu kommt dass oft Stau ist und die Strassen oft nicht gut sind. Und die Busse oft total ueberfuellt. Dass das ganze auch sehr gefaehrlich ist, brauche ich glaube ich nicht weiter beschreiben...
Top: Atmosphaere
Es vergeht kaum ein Tag, an dem man an einer Hochzeit vorbeifaehrt, einem Strassenfest oder sonst irgendeiner Feier. Immer dabei: Musik, die laut und schoen alles in eine froehliche Atmosphaere huellt. Auf ein Laecheln bekommt man immer auch ein Laecheln zurueck - und trotz aller Wiedrigkeiten des Lebens wirken die meisten Leute zufrieden und mit ihrer Welt im Reinen. Fast immer habe ich die Atmosphaere in der Stadt als angenehm empfunden, nie stressig.

Flop: Ich bin kein Dollarschein

Man hat hier viele Vorteile als Auslaender. Und einen ganz grossen Nachteil: Alle sind der Meinung, dass man reich ist. Das bedeutet, dass man bevorzugt angebettelt wird und oft zu hohe Preise verlangt werden. Vor allem das angebettelt werden ist mir unangenehm, vor allem bei Kindern. Auf der einen Seite sollten die in die Schule gehen anstatt zu betteln - wenn ich ihnen etwas gebe, gehen sie also erst recht nicht in die Schule. Auf der anderen Seite weiss ich genau, dass sie wahrscheinlich hungrig sind und ganz sicher die Familie sehr arm - falls sie nicht sogar von organisierten Banden ausgebeutet werden. Dem einzelnen Kind wuerde ich also sehr helfen, wenn ich ihm etwas Geld gebe. Egal wie, ich habe mich immer
unwohl gefuehlt in so einer Situation!

Top: Wetter
Wenn ich mir den Wetterbericht von Deutschland anschaue, dann ist das Wetter hier doch echt mindestens 2 Klassen besser! Bis auf seltene sehr starke Regenschauer, die innerhalb von 5 Minuten alles ueberschwemmen, war immer gutes Wetter. Das heisst nicht nur Sonne, sondern auch angenehm warme Temperaturen, auch Abends und frueh morgens. Superklasse, 5 Monate Sommer am Stueck!

Flop: Umweltverschmutzung

Die Umweltverschmutzung hier ist zum Teil atemberaubend. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Die Abgase der Autos sind einfach Wahnsinn, vor allem bei LKWs und Rikschas. Es ist mir eigentlich unbegreiflich, warum man nicht zumindest ein paar einfache Filter vorschreibt, ich will gar nicht wissen wie viele Menschen hier an Atemwegskrankheiten leiden wegen dem Verkehr. Dazu kommt, dass auf den Strassen hier sehr viel Muell rumliegt, oft sogar kleine wilde Muellhalden, die man in etwa 20 Meter Umkreis riechen kann. Oeffentliche Muelleimer gibts uebrigens nicht.

Top: Schoenheit des Landes

Ich war nicht nur in Bangalore, sondern bin ja auch rumgereist. Und Indien ist einfach wunderschoen. Sehr vielfaeltig und teilweise umwerfend. Da sind die Bauwerke, seien es Tempel, Ruinen von Palastanlagen, Palaeste, der Taj Mahal, alte Burgen, ... so viel zu entdecken und so anders und doch einfach schoen. Dann gibt es die Landschaft, sattgruene Berge, Sandstraende, Kuesten, backwaters, Tiere die man als Deutscher nur aus dem Zoo kennt, Regenwald - und das Leben auf dem Land, Hirten die unter einem Baum sitzen und ihre Ziegenherden hueten, Kinder die auf den Feldern spielen, Frauen in bunten Saris. Und natuerlich ist die Architektur, das Leben irgendwie anders, teilweise erst auf den zweiten Blick aber immer sichtbar.

Flop: Armut und soziale Extreme
Wer der Meinung ist, dass die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland zu gross ist, muss mal nach Indien kommen. Hier gibt es mehr Dollarmillionaere als in den USA, Rollce-Royce, BMWs, Mercedes mit Chauffeur auf den Strassen, ummauerte Siedlungen fuer die Reichen, hochmoderne Flughaefen. Und gleichzeitig lebt die Haelfte der inder von weniger als 1,30 Euro am Tag, werden Demonstrationen fuer einen Mindestlohn von 10 cent die Stunde gewaltsam aufgeloest. Es gibt fuer viele Menschen keine Krankenversorgung, Menschen schlafen nachts auf dem Gehweg, suchen im Muell nach Essen. Die Gegensaetze sind einfach Wahnsinn - das moderne Indien stramm auf dem Weg in die Moderne und das alte Indien gefangen im letzten Jahrhundert, ohne Chance auf ein besseres Leben.

Top: Die Leute

Am besten hier waren die Menschen, mit denen ich zu tun hatte. Angefagen bei Freunden von der Melton Foundation, bei denen ich zu Hause wohnen durfte, die mich immer wieder eingeladen haben, mir geholfen bei allem was ich gebraucht habe und die immer fuer mich da waren. Und einfach super Freunde sind!! Aber auch bei meinem Praktikum waren wirklich die Kollegen das, was das Praktikum zu dem gemacht hat was es war. Ich habe mich immer gefreut ins Buero zu gehen und glaube nicht dass ich nochmal in meinem Leben einen Arbeitsplatz mit so einem netten Team habe! Und auch unterwegs, im Bus, in Cafes, ... wo auch immer ich mit Leuten ins Gespraech gekommen bin, waren sie sehr nett, interessiert, aufgeschlossen und sehr freundlich und hilfsbereit. Die Menschen hier sind eindeutig das beste an Indien!

Sonntag, 22. November 2009

Einkaufen & Shopping

Szenario 1: Ich gehe aus meiner Wohnung, den Flur entlang und trete in den Innenhof des Wohnkomplexes. 50 Meter weiter, die Waerter am Tor gruessen wie immer freundlich und ich gehe raus auf die Strasse, auf der der Verkehr viel zu schnell entlangrast. Gegenueber, auf der anderen Strassenseite, steht wie immer ein Fischverkaeufer. Er hat einen Wagen, im Prinzip ein Holzbrett auf vier gleich grossen Raedern, auf dem verschiedene Fische liegen, auf die er immer mal wieder Wasser giesst, um sie zu kuehlen. Ich laufe an ihm vorbei und in Richtung Supermarkt, etwa 500 Meter die Strasse die senkrecht zum Wohnkomplex steht entlang. Gleich hinter dem Fischverkaeufer werden rechts auf dem Gehweg verschiedene toenerne Gefaesse verkauft, Vasen, Blumentoepfe, kleine Gefaesse. Auf der anderen Strassenseite steht ein Obstverkaeufer, er hat verschiedene Sorten Obst an seinem Stand aufwaendig gestapelt, sieht super aus und das Stapeln laesst die Ware natuerlich auch besser aussehen. Wenn ich die Strasse weiterlaufe, komme ich an verschiedenen kleinen Laeden vorbei, noch mehr Obstverkaeufern, Schuhflickern auf dem Gehweg, einem kleinen Schreinerladen, einem Frisoer, Schreibwarenladen, Restaurant, ... alles im Kleinformat, ueberall selbstverstaendlich mit Beratung. Bald bin ich beim Supermarkt angekommen, der ist relativ klein und es gibt immer unterschiedliche Sachen. Manche Sachen sind laut Verfallsdatum schon abgelaufen, aber man bekommt alles was man normalerweise so braucht im Haushalt, von Lebensmitteln, Obst ueber Zeitschriften, Kosmetika, Waschmittel, Gewuerze bis hin zu Eiscreme und Chips. Etwa 2 Mal pro Woche gehe ich da einkaufen, vor allem weil ich kein Leitungswasser trinke und deshalb immer viel Wasser kaufe.Szenario 2: Ich steige aus der Rikscha aus, an der Kreuzung MG Road / Briget Road im Stadtzentrum. Sofort stehen mindestens zwei Strassenverkaeufer neben mir, der erste will mir ein kleines hoelzernes Schachbrett verkaufen, der andere bietet original Sonnenbrillen fuer unter 2 Euro an. Natuerlich kaufe ich nichts davon, ich danke freundlich und laufe weg, die Briget Road entlang. Kaum eine halbe Minute spaeter wird mir schon wieder ein Schachbrett angeboten, diesmal hat der junge Verkaeufer aber auch noch Marihuana im Angebot. Inzwischen bin ich umgeben von Geschaeften, vor allem Kleidung wird hier verkauft. Ich laufe vorbei an Markenstores von Levis, United Colors of Benetton, dann kommt ein Geschaeft fuer teure Anzuege, daneben ein Schuhgeschaeft und gegenueber ist auch schon McDonalds. Und weiter gehts: Adidas, Nike, Reebock, Wrangler, ... alle sind sie vertreten und hoffen auf zahlungskraeftige Kundschaft. Und fuers leibliche Wohl gibt es nicht nur McDonalds - Kentucky Fried Chicken, Donut Baker, Pizza Hut und in einer Seitenstrasse dutzende relativ teure Restaurants, in die sich die meisten Inder hier wohl nie verirren wuerden. Und zwischendurch immer wieder kleine Staende, die Schmuck, Obst, Kleidung oder Guertel auf der Strasse verkaufen - guenstig und immer erst mit Feilschen zu einem annehmbaren Preis zu bekommen. Mein Guertel haelt uebrigens schon seit 3 Monaten gut, die Qualitaet ist also in Ordnung (trozt einem Preis von unter 3 Euro). Die Beschreibung will ich hier mal abbrechen, wenn man weiter geht kommt man zu Cafes und einem Shoppingcenter.Die Einkaufswelten sind sehr verschieden und irgendwie ist fuer jeden was dabei. Supermaerkte wie wir sie in Deutschland kennen, gibt es hier nur wenige - man kauft nicht einmal fuer die ganze Woche ein, sondern frisch jeden Tag beim Laden oder Strassenhaendler um die Ecke. Und das Essen wird fast immer ausschliesslich aus frischen Zutaten zubereitet, mal abgesehen von Reis, Mehl, Salz und anderen Gewuerzen, die natuerlich gelagert werden. Trotzdem ist hier vieles aus Europa zu bekommen, wenn auch zu teilweise astronomischen Preisen: Barilla-Nudeln, Nutella oder Ritter Sport gibts ohne Probleme zu kaufen, Pesto und Pringles natuerlich auch.Shoppen im Sinne von Kleidung, Schuhen oder Elektroartikeln ist fast wie in Europa. Die Markenlaeden verkaufen die gleichen oder aehnliche Produkte zu etwas geringeren Preisen, allerdings muss man sich damit abfinden, dass man immer beraten wird, auch wenn man das nicht will. Selbst wenn man ausdruecklich sagt, dass man sich nur alleine umschauen will, reduziert das die Anteilnahme des Beraters nur darauf, dass er einem in etwa einem Meter Abstand folgt und immer aufmerksam beobachtet. Elektromaerkte gibt es natuerlich, nicht so gross wie Media Markt, aber gross genug um das zu bekommen, was man will. Genauso verhaelt es sich mit Buechern, die im uebrigen fast alle auf englisch sind - und etwa die Haelfte des deutschen Preises kosten. Buecher und CDs / DVDs gibts auch illegal auf der Strasse zu kaufen, zumindest die Buecher sind aber oft wellig und sehen nach nicht besonders guter Qualitaet aus. Trotzdem wohl viel billiger und das gleiche drin!Insgesamt ist Bangalore in Indien wohl eine Ausnahme, was das Einkaufen angeht, in vielen anderen Staedten ist die Auswahl wohl nicht so gross. Das liegt bestimmt daran, dass es hier verhaeltnismaessig viele Auslaender gibt, ausserdem durch die ganzen IT-Unternehmen eine relativ grosse Mittelschicht, die sich das entsprechende Geldausgeben leisten kann...

Freitag, 13. November 2009

Gree(i)ndia?

Smogwolken liegen ueber Bangalore. Jeden Tag, jede Nacht, zu jeder Jahreszeit. Die Luftverschmutzung ist so stark, dass ich die ersten Wochen hier immer Halsschmerzen bekam, wenn ich mehrere Stunden im Freien war. Den Himmel habe ich hier noch nie in richtig sattem blau gesehen, jeder Sonnenuntergang ist spektakulaer schoen - ein sicheres Zeichen hoher Luftverschmutzung. Ich frage mich, ob Kinder, die hier aufwachsen, in ihrem Leben schon einmal saubere Luft geatmet haben. Auf der Strasse sieht man die Abgaswolken entlangwabern, Rikschas und LKWs sind am schlimmsten.Bangalore ist keine Ausnahme in Indien. Oder besser: Bangalore ist eine der wenigen Metropolen mit 10+ Millionen Einwohnern ohne nennenswerte Industrie. Und die Stadt hat es auch nicht in die gerade veroeffentlichte Liste der durch Umweltverschmutzung am meisten gefaehrdetsten Staedte Asiens geschafft, wie es in den Staedten die am schlimmsten dran sind (wie Jakarta, Dhaka, Kalkutta) aussieht, will ich lieber gar nicht wissen. Wegen der vielen Gruenanlagen hat Bangalore den Spitznamen "Garden City".
Im Dezember ist in Copenhagen die UN Weltklimakonferenz und nur noch wenige zweifeln daran, dass die Menschheit langsam mal damit anfangen sollte, den CO2-Ausstoss zu verringern. Nur ist man sich leider nicht einig, wer seine Emissionen reduzieren soll und vor allem wie stark.
Deutschland sieht sich gerne als Vorreiter beim Klimaschutz (ausser wenn es um die Autoindustrie geht natuerlich) und hat tatsaechlich auch eine relativ geringe CO2-Intensitaet der Wirtschaft. Zufall? Viel haengt davon ab, womit Energie erzeugt wird, welche Industriezweige besonders stark vertreten sind und wie Mobilitaet organisiert ist.
Der wesentliche Knackpunkt wird sein, wer wie viel Emissionen reduziert und vor allem wer das ganze bezahlt. Das Problem ist naemlich: Wenn ich meine Emissionen reduziere, profitieren wir alle. Aber bezahlen muss ich alleine. Also warte ich doch lieber, bis ihr eure Emissionen senkt, profitiere davon und schummle ein bisschen bei meiner Reduktion. Das ist stark vereinfacht das ganze Problem bei den Verhandlungen.
Indien ist zwar gross und zunehmend eine Weltmacht, aber Indien ist vor allem ein Entwicklungsland. Mehr als die Haelfte der Bevoelkerung lebt von weniger als 2 US$ am Tag, Elektrizitaet und fliessendes Wasser sind auf dem Land die Ausnahme und ein Auto demonstriert wie wenig anderes gesellschaftlichen Erfolg.
Das Argument, dass alle ihre Emissionen senken sollten, das Deutschland und der ganze "Westen" so gerne bringen, zieht hier nicht: Warum sollen in Indien nicht auch alle Familien ein Auto haben duerfen? Warum hindet man das Land daran, durch Wirtschaftswachstum Armut zu bekaempfen? Ist es nicht wichtiger, dass keine Kinder mehr hungern, als die Industrien zu schliessen, die zwar die Umwelt verpesten aber hunderttausenden ungebildeten Arbeitern Jobs geben?
Ausserdem geht es hier um Gerechtigkeit: Die Abgase, die bis jetzt in der Luft sind, kommen vor allem aus Europa und den USA. Also sollen die doch auch erstmal anfangen, ihren Ausstoss zu verringern! Ausserdem geht es hier nicht darum, ob Solarfusion, Photovoltaik, Wind oder Geothermie wohl effizienter ist, sondern ob es ueberhaupt Strom gibt. Solange die USA und Europa ihre Emissionen nicht senken, was sie bisher nicht gemacht haben - ausser 2009 wegen der Wirtschaftskrise, die super fuer das Klima ist - sieht man hier keinen Grund darin, jetzt vorzupreschen.
Bisher war die Position Indiens: Wir reduzieren unsere Emissionen, wenn ihr (also der Westen) es bezahlt. Wozu Europa und die USA natuerlich nicht bereit sind.
Vor ein paar Monaten gab es dann die erste verbindliche Zusage der indischen Regierung: Indien wird pro Kopf niemals mehr Abgase emittieren als der Durchschnitt von Europa und den USA. Bisher ist man bei 7%. Und das ganze ist eigentlich auch gerecht. Warum darf ein Europaeer pro Kopf mehr emittieren als ein Inder? Wegen der Hautfarbe? Weil wir die Kolonien so gut ausgebeutet haben dank unserer dreckigen Industrien daheim?
Aber jetzt man einen Schritt weiter: Angeblich ist die Regierung bereit, ein Abkommen zu unterzeichnen, das explizite Grenzwerte auch fuer Indien enthaelt - wenn diese nicht an den bisherigen Emissionen festgemacht werden.
Mal ganz ehrlich: Klar muss man die Emissionen weltweit senken. Aber ist es nicht verdammt unfair, wenn man jetzt sagt, alle ab sofort nicht mehr die Emissionen steigern? Damit bestraft man die Entwicklungslaender dafuer, dass sie bisher so wenig Luftverschmutzung produziert haben!!
Eine Loesung habe ich hier nicht. Aber ich hoffe die Position von Indien wurde etwas klarer. Die Regierung sieht sich selbst dabei (laut Zeitungen) als Vermittler zwischen Industrie- und Entwicklungslaendern. Die Entscheidung der Regierung, grundsaetzlich zur Unterzeichnung eines Abkommens auch dann bereit zu sein, wenn es Grenzwerte fuer Indien enthaelt, hat zu Protesten innerhalb der Regierung und der Regierungspartei gefuehrt.
Uebrigens ist man sich hier sehr bewusst, dass Ressourcen endlich sind. Wasser und Strom werden gespart wo es moeglich ist, bei mir haben auch schon Schulkinder geklingelt, die die ganze Wohnsiedlung darueber aufgeklaert haben, so wenig Plastiktueten wie moeglich zu benutzen. Das Bewusstsein ist da. Aber gerecht will man behandelt werden!

Samstag, 7. November 2009

Beziehungen, Homosexualitaet, Sex

Na, habt ihr schon gedacht der Blog verkommt zur reinen Politikveranstaltung?? :P
Das Konzept der "Liebe" hat eigentlich zwei Seiten: Auf der einen Seite gibt es die Liebe zu Eltern, Geschwistern und anderen, die sich auf gemeinsame Erfahrungen, ein gemeinsames Leben, gemeinsame Werte und die "Blutsverwandschaft" gruendet. Rein platonisch, ohne jegliche sexuelle Bestandteile. Und auf der anderen Seite ist da die "romantische Liebe", die Liebe zum Partner oder der Partnerin, die man sich selbst gewaehlt hat. Und diese Liebe ist nicht nur, aber auch koerperlich, beinhaltet koerperliche Naehe, Koerperkontakt usw.
Mit "Liebe" zu einem Lebenspartner beziehen wir uns in Deutschland auf die romantische Liebe, ein Konzept das es so aber in Indien nicht gibt wie bei uns. Das mag jetzt seltsam klingen, weil es fuer uns total normal ist.
Deshalb ist auch die arrangierte Ehe fuer die Leute, mit denen ich hier darueber gesprochen habe, nichts dramatisches, sondern ziemlich normal. Auf jeden Fall nichts, was einem aufgezwungen wird, obwohl man es nicht will - die Vorstellung ist hier eher, dass man nicht nur den Partner heiratet, sondern auch seinen sozialen Hintergrund, seine Familie und seine Werte und Sozialisation. Und darauf zu achten ist mindestens ebenso wichtig wie die Frage, ob man koerperlich voneinander angezogen ist. Die koerperliche, romantische Liebe entwickelt sich dann mit der Zeit schon. Uebrigens: Laut einer Studie sind 93% aller Inder zufrieden mit ihrer Ehe.
Das ganze heisst nun nicht, dass junge Inder nicht auch Beziehungen haetten, nur sind die anders als in Deutschland, ich wuerde sagen weniger frei und weniger tief. Dass 15-jaehrige mit Wissen der Eltern Beziehungen haben, sich kuessen oder miteinander schlafen waere hier absolut undenkbar. Und auch ohne Wissen der Eltern ist es undenkbar. Ausnahmen gibt es natuerlich bei allem, aber die romantische Liebe steht, so ist mein Gefuehl, auch da weniger im Vordergrund als die platonische Bindung, gemeinsame geheime Treffen in einem Cafe oder im Kino (der perfekte Platz zum Kuessen!).
Sex ist in der Oeffentlichkeit ueberhaupt kein Thema, Pornografie verboten, genauso Prostitution und Stripclubs und aehnliches. Auch die Werbung ist viel dezenter und nicht so plump aufreizend wie manchmal in Deutschland. Natuerlich gibt es das alles trotzdem, aber eben nicht so oeffentlich und nicht gesellschaftlich akzeptiert. Ich habe in einer Zeitschrift zu dem Thema gelesen, dass Pornographie oft westliche Frauen abbildet in Indien - um den Maennern die Illusion zu lassen, nur auslaendische Frauen seien so freizuegig, waehrend indische Frauen natuerlich so etwas nie machen wuerden. Aber trotz allem ist das oeffentliche Leben viel weniger sexuell durchflutet als in Deutschland!
Homosexualitaet ist ein ganz schwieriges Thema - aber immerhin ist homosexualitaet seit einigen Monaten nicht mehr strafbar. (bevor jetzt alle aufschreien, schaut erstmal nach, wie lange es in Deutschland illegal war!!) Oeffentlich homosexuell zu sein ist aber wohl immer noch ein Tabu und es ist auch ein Thema, das kaum behandelt wird. Ein richtiges Tabu, mehr noch als in Deutschland - obwohl laut einer Kollegin von mir vor einigen Wochen sich irgendeine oeffentliche Person geoutet hat. Ohne grosse Konsequenzen.
Kulturen sind verschieden und bei persoenlichen Themen merkt man das vielleicht manchmal am besten - ich habe sehr viele Menschen hier als sehr offen und herzlich kennen gelernt mit denen man ueber viele private Themen gut reden kann. Ohne Vorurteile oder Verurteilungen. Andere kulturelle Hintergruende sind weder gut noch schlecht - und jeder der jetzt denkt "arme Inder" und der Meinung ist, Deutschland sei viel fortschrittlicher: Unsere "Fortschrittlichkeit" erkaufen wir uns mit einer Scheidungsrate von 50% (Im Vergleich mit 6% in Indien). Und ob sich 93% der Deutschen als in ihrer Ehe gluecklich bezeichnen wuerden, weiss ich auch nicht!