Freitag, 13. November 2009

Gree(i)ndia?

Smogwolken liegen ueber Bangalore. Jeden Tag, jede Nacht, zu jeder Jahreszeit. Die Luftverschmutzung ist so stark, dass ich die ersten Wochen hier immer Halsschmerzen bekam, wenn ich mehrere Stunden im Freien war. Den Himmel habe ich hier noch nie in richtig sattem blau gesehen, jeder Sonnenuntergang ist spektakulaer schoen - ein sicheres Zeichen hoher Luftverschmutzung. Ich frage mich, ob Kinder, die hier aufwachsen, in ihrem Leben schon einmal saubere Luft geatmet haben. Auf der Strasse sieht man die Abgaswolken entlangwabern, Rikschas und LKWs sind am schlimmsten.Bangalore ist keine Ausnahme in Indien. Oder besser: Bangalore ist eine der wenigen Metropolen mit 10+ Millionen Einwohnern ohne nennenswerte Industrie. Und die Stadt hat es auch nicht in die gerade veroeffentlichte Liste der durch Umweltverschmutzung am meisten gefaehrdetsten Staedte Asiens geschafft, wie es in den Staedten die am schlimmsten dran sind (wie Jakarta, Dhaka, Kalkutta) aussieht, will ich lieber gar nicht wissen. Wegen der vielen Gruenanlagen hat Bangalore den Spitznamen "Garden City".
Im Dezember ist in Copenhagen die UN Weltklimakonferenz und nur noch wenige zweifeln daran, dass die Menschheit langsam mal damit anfangen sollte, den CO2-Ausstoss zu verringern. Nur ist man sich leider nicht einig, wer seine Emissionen reduzieren soll und vor allem wie stark.
Deutschland sieht sich gerne als Vorreiter beim Klimaschutz (ausser wenn es um die Autoindustrie geht natuerlich) und hat tatsaechlich auch eine relativ geringe CO2-Intensitaet der Wirtschaft. Zufall? Viel haengt davon ab, womit Energie erzeugt wird, welche Industriezweige besonders stark vertreten sind und wie Mobilitaet organisiert ist.
Der wesentliche Knackpunkt wird sein, wer wie viel Emissionen reduziert und vor allem wer das ganze bezahlt. Das Problem ist naemlich: Wenn ich meine Emissionen reduziere, profitieren wir alle. Aber bezahlen muss ich alleine. Also warte ich doch lieber, bis ihr eure Emissionen senkt, profitiere davon und schummle ein bisschen bei meiner Reduktion. Das ist stark vereinfacht das ganze Problem bei den Verhandlungen.
Indien ist zwar gross und zunehmend eine Weltmacht, aber Indien ist vor allem ein Entwicklungsland. Mehr als die Haelfte der Bevoelkerung lebt von weniger als 2 US$ am Tag, Elektrizitaet und fliessendes Wasser sind auf dem Land die Ausnahme und ein Auto demonstriert wie wenig anderes gesellschaftlichen Erfolg.
Das Argument, dass alle ihre Emissionen senken sollten, das Deutschland und der ganze "Westen" so gerne bringen, zieht hier nicht: Warum sollen in Indien nicht auch alle Familien ein Auto haben duerfen? Warum hindet man das Land daran, durch Wirtschaftswachstum Armut zu bekaempfen? Ist es nicht wichtiger, dass keine Kinder mehr hungern, als die Industrien zu schliessen, die zwar die Umwelt verpesten aber hunderttausenden ungebildeten Arbeitern Jobs geben?
Ausserdem geht es hier um Gerechtigkeit: Die Abgase, die bis jetzt in der Luft sind, kommen vor allem aus Europa und den USA. Also sollen die doch auch erstmal anfangen, ihren Ausstoss zu verringern! Ausserdem geht es hier nicht darum, ob Solarfusion, Photovoltaik, Wind oder Geothermie wohl effizienter ist, sondern ob es ueberhaupt Strom gibt. Solange die USA und Europa ihre Emissionen nicht senken, was sie bisher nicht gemacht haben - ausser 2009 wegen der Wirtschaftskrise, die super fuer das Klima ist - sieht man hier keinen Grund darin, jetzt vorzupreschen.
Bisher war die Position Indiens: Wir reduzieren unsere Emissionen, wenn ihr (also der Westen) es bezahlt. Wozu Europa und die USA natuerlich nicht bereit sind.
Vor ein paar Monaten gab es dann die erste verbindliche Zusage der indischen Regierung: Indien wird pro Kopf niemals mehr Abgase emittieren als der Durchschnitt von Europa und den USA. Bisher ist man bei 7%. Und das ganze ist eigentlich auch gerecht. Warum darf ein Europaeer pro Kopf mehr emittieren als ein Inder? Wegen der Hautfarbe? Weil wir die Kolonien so gut ausgebeutet haben dank unserer dreckigen Industrien daheim?
Aber jetzt man einen Schritt weiter: Angeblich ist die Regierung bereit, ein Abkommen zu unterzeichnen, das explizite Grenzwerte auch fuer Indien enthaelt - wenn diese nicht an den bisherigen Emissionen festgemacht werden.
Mal ganz ehrlich: Klar muss man die Emissionen weltweit senken. Aber ist es nicht verdammt unfair, wenn man jetzt sagt, alle ab sofort nicht mehr die Emissionen steigern? Damit bestraft man die Entwicklungslaender dafuer, dass sie bisher so wenig Luftverschmutzung produziert haben!!
Eine Loesung habe ich hier nicht. Aber ich hoffe die Position von Indien wurde etwas klarer. Die Regierung sieht sich selbst dabei (laut Zeitungen) als Vermittler zwischen Industrie- und Entwicklungslaendern. Die Entscheidung der Regierung, grundsaetzlich zur Unterzeichnung eines Abkommens auch dann bereit zu sein, wenn es Grenzwerte fuer Indien enthaelt, hat zu Protesten innerhalb der Regierung und der Regierungspartei gefuehrt.
Uebrigens ist man sich hier sehr bewusst, dass Ressourcen endlich sind. Wasser und Strom werden gespart wo es moeglich ist, bei mir haben auch schon Schulkinder geklingelt, die die ganze Wohnsiedlung darueber aufgeklaert haben, so wenig Plastiktueten wie moeglich zu benutzen. Das Bewusstsein ist da. Aber gerecht will man behandelt werden!

3 Kommentare:

  1. Wieder ein sehr interessanter und informativer Artikel!!! Vor allem zeigt er, dass die Haltung u.a. in Europa und Nordamerika oft ziemlich verlogen ist. Schließlich belasten wir pro Kopf noch immer weit mehr die Umwelt. Trotzdem müssen Wege gefunden werden um zu verhindern, dass auch China, Indien oder Brasilien (pro Kopf)so viel Energie wie die Europäer, Japaner oder Nordamerikaner verpulvern.
    Warum ist ein schöner Sonnenuntergang ein Indiz für hohe Luftverschmutzung?
    Hast du dich an Luftverschmutzung gewöhnt? Sind die Halsschmerzen weg? Nicht, dass dir am Ende die saubere Luft in Jena oder Schöllbronn Probleme bereitet!
    Welchen Energiemix gibt es in Indien (Kohle, Wasserkraft, Atom, etc.)?
    Übrigens trägt auch die Landwirtschaft stark zum CO2-Ausstoss bei, vor allem die Hinterlassenschaften und Abgase der Kühe!! Wird das in Indien thematisiert? Schließlich wimmelt es scheinbar in Indien nur so an Kühen.
    Gibt/gab es in Indien große Wälder? Oder wurde viel abgeholzt?
    Wie sieht es mit der Wasserqualität aus?

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  2. Whow, das sind aber viele Fragen!!
    Ich habe mal gelesen, dass eine hohe Luftverschmutzung den Sonnenuntergang roeter macht, bzw. die Verschmutzung die Faerbung verstaerkt.
    An die Luftverschmutzung habe ich mich gewoehnt, zumindest habe ich kein Halsweh mehr! ;-) Ja, hoffentlich werde ich nicht krank von der sauberen Waldluft in Schoellbronn! *g*
    Den Energiemix kenne ich nicht, aber im Wesentlichen wird es Kohle sein, Wasserkraft ist in Bangalore noch wichtig und wohl im Norden auch.
    Mit der Landwirtschaft hast du Recht - angeblich wurde in der Schweiz Gras gezuechtet, das Kuehe verdauen koennen, ohne Methangase zu produzieren... das wird hier aber nicht so thematisiert. Kuehe gibt es schon viele, aber vielleicht auch wieder nicht und man sieht sie nur mehr? Hier laufen die ja frei rum, nicht wie in Deutschland wo sie eingesperrt sind.
    Waelder gibt es hier schon, vor allem im Innenland. Allerdings ist Indien ziemlich dicht bevoelkert (dichter als Deutschland z.B.), das heisst dass der Grossteil des Landes Nutzflaeche ist, also Doerfer, Staedte und vor allem Landwirtschaftsflaeche.
    Die Qualitaet des Leitungswassers ist wohl nicht so gut, trinken sollte man es nicht. Aber habe schon schlimmeres erlebt, ist eigentlich besser als erwartet. Wie die Wasserqualitaet der Fluesse ist, kann ich nicht sagen, das ist wahrscheinlich sehr unterschiedlich.

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  3. Kurzes Update zum Thema: In der Zeitung heute stand, dass Indiens Regierung angekuendigt hat, in Kopenhagen (Weltklimakonferenz) im Dezember kein Dokument zu unterschreiben, das verbindliche Emissionsgrenzen fuer Indien enthaelt. Als Grund wird genannt, dass die Industrielaender nicht zu Entschaedigungen und Technologietransfer an die Entwicklungslaender bereit seien.

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